Die Glücksspielregulierung in Deutschland war in den letzten Monaten immer wieder in der Presse und wurde mit Urteilen des EuGH versehen. Doch was ist eigentlich genau passiert? Bevor man verstehen kann, wie es so weit kam, sollte ein kleiner Blick in die Vergangenheit der Glückspielregulierung geworfen werden. Was folgt ist eine kleine Skizzierung der Entwicklung der Glücksspielregulierung in Deutschland.
Glücksspielregulierung von 1994 bis heute
Im Jahr 1994 veröffentlichte Microgaming die erste Online Casino Software, mit der im Internet sicher um Geld gespielt werden konnte. Im gleichen Jahr kommt es im Karibikstaat Antigua und Barbuda zur Regulierung des Online Glückspiels. Mit einem zeitlichen Sprung von zehn Jahren legt die EU-Kommission einen Entwurf zur Dienstleistungsfreiheit im europäischen Raum vor. Was folgt, ist das Ausstellen von Glücksspiel-Lizenzen durch die beiden größten europäischen Regulierungsbehörden im Jahr 2005. Drei Jahre später, im Jahr 2008, erklärt der europäische Gerichtshof die Fassung des deutschen Glücksspielstaatsvertrags für nicht EU-konform. Es kommt dazu, dass im Jahr 2011 Schleswig-Holstein sein eigenes Gesetz zur Neuordnung des Glücksspiels verabschiedet und im Folgejahr Glücksspiellizenzen mit einer Gültigkeit von 6 Jahren ausgestellt werden.
Im Jahr 2016 galt der Glücksspielstaatsvertrag als Grundlage für ein Verfahren des Europäischen Gerichtshofes in Sonthoven. Als Grundlage wurde das geltende Monopol auf Sportwetten angesehen, welches in seiner jetzigen Form nicht mit der europäischen Dienstleistungsfreiheit vereinbar war. So sah eine Experimentierklausel, die auf sieben Jahre angelegt war, vor, dass private Wettanbieter für einen begrenzten Zeitraum eine Konzession für das Wettgeschäft erhalten sollten. Diese Vergaben zogen sich jedoch hin, sodass das Verwaltungsgericht in Hessen im letzten Herbst das Vergabeverfahren stoppte. Der Verwaltungsgerichtshof sah das Konzessionsverfahren als vorerst gescheitert an.
In der Konsequenz hieß das, dass Wettenvermittler nicht mehr mit strafrechtlichen Sanktionen überzogen werden dürfen, folglich wären private Sportwetten in Deutschland fortan legal. Eine Pflicht zur Liberalisierung wurde durch das EuGH nicht ausgesprochen.
In Finnland hat es funktioniert
Die Europäische Kommission hat in der Sache schon lange die Geduld verloren. In der Europäischen Union ist die Glücksspielregulierung Sache der Mitgliedsstaaten und so fordert auch der europäische Gerichtshof mehr Kohärenz und Transparenz ein. Dabei werden die unterschiedlichen ethischen und soziokulturellen Unterschiede der Mitgliedsstaaten sowie gewachsenen Traditionen respektiert. FunFact am Rande: Länder wie Finnland, die alles im staatlichen Monopol regeln, also Lotterien, Sportwetten und Automaten werden kaum angegriffen. Mit der überarbeiteten Gesetzgebung in Finnland kamen die Behörden zu dem Schluss dass „die mit der Errichtung eines Glücksspielmonopols in einem Mitgliedstaat angestrebten Ziele in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden und damit die vom Gericht diesbezüglich festgelegten Anforderungen erfüllt werden.“
Warum ist Deutschland so interessant?
Möglicherweise ist einer der Gründe dafür, der große Markt in Deutschland. Im Kern gehe es wohl aber darum, sich eine Grauzone zu bewahren, die einen Markt für Anbieter ohne nationale Lizenz so lange wie möglich unreguliert zulässt. So geben einige unseriöse Anbieter vor, eine deutsche Lizenz für Sportwetten erwerben zu wollen. Wenn sie im Internet jedoch bereits erfolgreich sind, halten sie sich nur selten an Jugendschutzvorschriften, Einsatzlimits oder das Verbot bestimmter hochmanipulativer Livewetten. Wo keine Lizenz vergeben wird, ist man quasi sicher. Es gibt wohl kaum Bereiche, wo so gnadenlos gegen Gesetze verstoßen, dies aber geduldet wird.
Der Deutsche Sportwettenverband geht mit gutem Beispiel voran: Zahlreiche Wettanbieter aus dem Internet haben sich zu einem Verband zusammen geschlossen, der im Dialog mit dem deutschen Staat eine neue Form der Regulierung finden möchte. Denn Fakt ist, dass die Experimentierphase vorbei ist und man endlich eine einheitliche und klar strukturierte Lösung finden muss. Das Vergabeverfahren, welches sich über Jahre hinzog, ist mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gescheitert.
Das Hessische Innenministerium fordert nun ein Freigeben der Sportwettenlizenzen. Beuth, der sich schon zu der Thematik geäußert hat, präsentierte die fünf Leitlinien für eine zeitgemäße Glückspielregulierung in Deutschland. „Wir machen damit konkrete Vorschläge an die anderen Bundesländer, den Glücksspielstaatsvertrag anzupassen, um seine Ziele zu erreichen“, so Beuth. Die fünf Leitlinien umfassen folgende Schwerpunkte:
- Regulierung von Casino- und Pokerspielen im Internet
- Aufhebung der Zahl der zu vergebenden Sportwettenkonzessionen
- Internet-Höchsteinsatzgrenze von 1.000 Euro; Anforderung an die Registrierung im Internet
- Glücksspielkollegium – Zusammenarbeit der Länder; Gründung einer gemeinsamen Anstalt des öffentlichen Rechts
- Bundesweite zentrale Sperrdatei / Hessische Sperrdatei für Spielhallen; Anschluss der Spielhallen an die bundesweite zentrale Sperrdatei
Man mag nun sehr bezweifeln, dass eine Aufsichtsstruktur, die schon jetzt wenig bis gar nicht durchsetzungsstark ist, einen völlig offenen Markt regulieren könnte, ohne auf Probleme zu stoßen. Darüber hinaus ist es empirisch nachgewiesen, dass auch ein offener Markt illegale Anbieter nicht fernhält. So lange es in Europa weiterhin Steueroasen für Glücksspiel gibt, werden Anbieter versuchen sich auf dem großen europäischen Markt zu etablieren.
Wie kann dem Ganzen Abhilfe geschaffen werden?
Laut Lotto-Geschäftsführerin Marion Casper-Merk gibt es aus ihrer Sicht nur drei mögliche Maßnahmen. Es müsste eine Durchsetzung des Blockierens von IP-Adressen (ISP) und der Zahlungsströme illegaler Anbieter geben. Nebst dieser müsste es eine Bündelung der Regulierung in einer zentralen Behörde mit Kompetenzen auch außerhalb des rein Juristischen geben. Als letztes bedarf es einer Rückkehr zu einer kohärenten Regulierung im Monopol und der Beendigung der Experimentierphase.
Hier sind schnelle Lösungen gefragt, doch die Landesregierungen haben momentan andere Schwerpunkte auf ihrer Agenda stehen, um die sich kümmern wollen/sollen/müssen. Doch Brüssel hat keine Lust mehr. Hinter verschlossenen Türen beraten sie, wie sie der deutschen Glücksspielregulierung erneut einen Dämpfer verpassen könnten. So könnte es demnächst in Berlin Post geben mit der Information, dass der Bundesregierung wegen der Regeln und Verfahren im Umgang mit dem Glückspiel ein Verfahren droht. Wenn es dazu kommt, steht das Berliner Ministerium nicht zum ersten Mal für etwas gerade, was die Bundesländer verbockt haben. Auch wenn einige zuständige Beamte der Bundesländer die Glücksspielgesetze jetzt teilweise neu schreiben wollen, bleibt es abzuwarten, ob das ausreichend ist.